Vor 50 Jahren: „2. British Rock Meeting“ am Pfingstwochenende in Germersheim

Veröffentlicht am 3. Juni 2022 Historisches Schlaglicht
2. British Rock Meeting 1972: US-Camper auf dem Festivalgelände (LA Sp Best. H 13 Nr. 4848 Aufnahme 53)

An Pfingsten 1972 kam es in der Pfalz zu einem musikalischen Treffen der Superlative: Beim Rockfestival „2. British Rock Meeting“, das vom 20. bis 22. Mai auf der Insel Grün nahe Germersheim stattfand, standen Weltstars wie Pink Floyd, Status Quo, The Kinks, Uriah Heep, Nazareth, Beggar’s Opera sowie zahlreiche weitere nationale und internationale Bands auf der Bühne und bescherten der pfälzischen Stadt eine bisher nie dagewesene Besucherschar. Schätzungen zufolge sollen es über 70.000 Besucher gewesen sein – manche Quellen gehen sogar von bis zu 100.000 aus –, die sich zum Festival aufmachten und mehrere Tage in Germersheim und Umgebung campierten. Die Ereignisse von damals lassen sich heute vor allem aus Berichten von Zeitzeugen und zeitgenössischen Presseartikeln nachvollziehen.1

In der Pfalz hatte man zu Beginn der 1970er Jahre bereits Erfahrungen mit Musikfestivals gemacht: 1971 hatten sich im September musikalische Größen wie Deep Purple und Fleetwood Mac in Speyer zum einem „British Rock Meeting“ zusammengefunden. Die knapp 25.000 Besucherinnen und Besucher hatten die Stadt verkehrstechnisch und logistisch zwar an ihre Grenzen gebracht, aber von polizeilicher Seite gab es im Nachhinein keine Beanstandungen oder Berichte über größere Ausschreitungen. Wie auch später in Germersheim befanden sich zahlreiche US-Militärangehörige unter den Musikfans. Die US-Armee bewarb unter ihren Soldaten den Besuch solcher Rockfestivals im Rhein-Main-Gebiet, für sie waren Eintrittskarten auf den Stützpunkten erhältlich.

Dass das Festival 1972 nahe Germersheim stattfinden sollte, hatte die Stadtspitze allerdings erst wenige Wochen zuvor, Anfang Mai, aus der Zeitung erfahren. Dementsprechend irritiert reagierten Bürgermeister und Stadtrat auf die Ankündigung und versuchten zunächst, die Veranstaltung behördlich untersagen zu lassen. Unter den Germersheimern machten sich Befürchtungen und Vorbehalte gegen einen Einfall von „Rockfans“ und „Hippie-Massen“ breit,  die Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ zitierte beispielsweise einen Germersheimer Bürger mit den Worten: „Die Jugendlichen werden unsere Stadt zerstören“2. Vor allem die Ankunft von mutmaßlich mehr als „50.000 Rauschgiftsüchtigen“3 rief große Besorgnis hervor. Dabei hatte der Kartenvorverkauf schon längst begonnen. Veranstalter Marek Lieberberg, Gründer von „Mama Concerts“, der mit seiner späteren Agentur MLK gerade in den 1990er Jahren zahlreiche Tourneen weltweit bekannter Bands und Künstler wie Depeche Mode, Metallica, Bon Jovi oder Bruce Springsteen hierzulande organisierte, konterte, dass sie bei einem Verbot des Rock Meetings den Eintritt kurzerhand für alle kostenlos anbieten und Germersheim und Umgebung mit Massen jugendlicher Rockfanatiker regelrecht überschwemmen würden. Mittlerweile hatte sich auch herausgestellt, dass von rechtlicher Seite lediglich eine Anzeigepflicht für das Festival bestand und es keiner weiteren Genehmigung bedurfte. Die Stadt lenkte letztlich wenige Tage vor Festivalbeginn ein, nachdem die Erfüllung einiger Auflagen zugesichert worden war, und bereitete sich auf den Besucheransturm vor.

2. British Rock Meeting 1972: Unterwegs auf dem Festivalgelände (LA Sp Best. H 13 Nr. 4848 Aufnahme 84)

So kamen am Pfingstwochenende neben den zahlreichen angekündigten Musikgruppen schließlich auch eine große Menge an interessierten Fans in Germersheim und am Altrhein an. Offizielle Zahlen sprechen von über 70.000, womöglich lag die tatsächliche Teilnehmerzahl aber noch höher. Organisatorisch zeigten sich ob der Massen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern bald etliche Mängel. Die Zufahrtsstraßen waren von ihrer Kapazität her schnell an ihre Grenzen gelangt, zumal viele geparkte Autos den anreisenden Besuchern und Bands ein Durchkommen erschwerten. Das Vorhandensein von sanitären Einrichtungen wie Toiletten und Duschen sowie die Versorgungssituation mit Essen und Getränken vor Ort wären sicherlich noch stark ausbaufähig gewesen, sodass man sich beispielsweise unter den Festivalgästen gegenseitig mit Verpflegung aushalf.4 Bäckereien und Supermärkte in der näheren Umgebung hatten von Seiten der Stadt die Erlaubnis erhalten, während der Pfingsttage zu öffnen und den Massen eine Versorgungsmöglichkeit zu bieten, aber diese waren schnell „leergekauft“. Auf dem weiträumigen Gelände übernachteten die Festivalbesucherinnen und -besucher in Zelten oder im Schlafsack unter freiem Himmel. Der Eintritt für die drei Festivaltage belief sich auf knapp 20 DM.

Insgesamt mehr als 30 Bands waren für ihren Auftritt auf dem „2. British Rock Meeting“ in die Pfalz gekommen. Die auf den Plakaten groß angekündigten Headliner The Doors und The Faces waren leider nicht darunter – dafür kamen einige Bands, die nicht angekündigt waren, beispielsweise Wishbone Ash. Die Konzertbesucherinnen und -besucher, darunter viele in Deutschland stationierte US-Soldaten, reisten aus dem In- und Ausland mit dem Auto, der Bahn oder per Anhalter zur Insel Grün, findige Motorbootsbesitzer sollen Anreisende sogar für 5 DM von Lingenfeld aus über den Rhein zum Festival gesetzt haben.5

2. British Rock Meeting 1972: Frontstage (LA Sp Best. H 13 Nr. 4848 Aufnahme 01)

Das musikalische Programm startete am Samstagnachmittag. Zu einem ersten Höhepunkt avancierte der Auftritt von Pink Floyd am späten Abend, die ihre Songs mit einer fulminanten Lichtershow untermalten und ein Feuerwerk aus dem Schlagzeug aufsteigen ließen. Sonntags und montags folgten weitere Auftritte internationaler Größen wie Uriah Heep, Atomic Rooster, Humble Pie, Status Quo oder Rory Gallagher sowie deutschen Bands wie Amon Düül II und A.R. & Machines. Zu einem unschönen Zwischenfall kam es, als sich Uriah Heep während des Auftritts unfreiwillig einem Getränkebehälterregen zuungunsten ihres Drummers ausgesetzt sahen, woraufhin der Auftritt abgebrochen werden musste. Diese Aktion zog glücklicherweise keine größeren Ausschreitungen nach sich, die Festivalgäste genossen weiterhin bis spät in die Nacht die musikalischen Beiträge und feierten die Bands. Nach mehr als drei Tagen voller Musik und stimmungsvollen Auftritten beschlossen die britischen „Classic-Rocker“ von Curved Air den Konzertreigen am Dienstagmorgen – aufgrund zahlreicher Verzögerungen hatte sich das eigentlich für Montagabend geplante Ende erheblich nach hinten verschoben.

Von Seiten der Polizei gab es über das Rock Meeting von keinen besonderen Vorkommnissen zu berichten. Die Musikfans verhielten sich weitestgehend gesittet, dem Publikum wurde sogar von offizieller Seite eine ausgesprochene Höflichkeit bescheinigt. Über 480 Einsatzkräfte waren während der Festtage vor Ort. Zu größeren Ausschreitungen und Zwischenfällen war es aber erst gar nicht gekommen. In Bezug auf den im Vorfeld befürchteten massiven Drogenkonsum während des Festivals konnte vermeldet werden, dass von den knapp 1.500 medizinischen Einsätzen 350 als rauschgiftbedingt verbucht werden mussten.6  

Allen Befürchtungen zum Trotz und abgesehen von Müllbergen und etlichen kleineren Sanitätseinsätzen konnten die Verantwortlichen und Stadtoberen nur eine positive Bilanz über das Verhalten der Rockfans ziehen und sich zufrieden mit den Ablauf zeigen. Insgesamt hatten sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet. Das „2. British Rock Meeting“ ist als das „pfälzisches Woodstock“ im kollektiven Gedächtnis verankert und sucht bis heute seinesgleichen. Für Germersheim und die Insel Grün hat es einen Platz in der pfälzischen, wenn nicht sogar internationalen Musikgeschichte gesichert.

2. British Rock Meeting 1972: Im Schlamm (LA Sp Best. H 13 Nr. 4848 Aufnahme 50)

Anlässlich der 50. Jubiläums fand im Germersheim Ende Mai 2022 ein „Musikfestival mit Hippiemarkt“ statt, bei welchem unter anderem die Pink-Floyd-Tributeband „echoes“ die Zuhörerinnen und Zuhörer in die Stimmung von damals versetzte.7 Von März bis Mai 2022 erinnerte zudem eine Ausstellung des Vereins Interkultur im Weißenburger Tor in Germersheim mit Fotografien und Filmaufnahmen an das spektakuläre Musikereignis im Jahr 1972. Für September ist auf der Insel Grün am Mercedes-Benz Global Logistics Center ein Konzert „50 Jahre British Rock“ geplant, bei welcher Uriah Heep, Status Quo und Nazareth wieder ihren Weg nach Germersheim finden werden – dieses Mal allerdings nicht in der Besetzung von 1972.

Barbara Schuttpelz


[1] Informationen zum Thema sind vor allem über online zugängliche Artikel und Presseerzeugnisse recherchierbar, die Berichte über das „2. British Rock Meeting“ enthalten. In der Publikation von Doreen Schmidt, „Rockfestivals in Deutschland. Bestandsaufnahme und Entwicklung von Rockmusik und Festivals“, Saarbrücken 2007, S. 53, hat das Ereignis ebenfalls seinen Eingang gefunden.

[2] Die Rheinpfalz, Art. „Kleinstadt hat Angst vor dem Rock-Festival“ vom 9.5.1972.

[3] Ebd.

[7] Vgl. http://www.verein-interkultur.eu/main_neu/?p=2224, abgerufen am 27.5.2022.

 


Literatur und Quellen


Schlagwörter des Beitrags
20. Jahrhundert Musik Germersheim

Beiträge nach Schlagwörtern
20. Jahrhundert 54 Biografie 37 19. Jahrhundert 36 Politik 23 Nationalsozialismus 19 Wissenschaft 13 Migration 12 Zweiter Weltkrieg 10 Kaiserslautern 8 18. Jahrhundert 7 Kloster 7 1. Weltkrieg 5 Dichtung 5 Frankreich 5 Historiographie 5 Industriegeschichte 5 Militär 5 Pfarrer 5 Revolution 5 Rheinland-Pfalz 5 Evangelische Kirche 4 Geschlechtergeschichte 4 Gurs 4 Heiliges Römisches Reich 4 Kunst 4 Literatur 4 Pirmasens 4 Sport 4 USA 4 1. FC Kaiserslautern 3 13. Jahrhundert 3 16. Jahrhundert 3 BASF 3 Bayern 3 Burgen 3 Frühe Neuzeit 3 Journalismus 3 Katastrophe 3 Katholische Kirche 3 Landau 3 Landwirtschaft 3 Mission 3 Musik 3 Ramstein 3 Reformation 3 Revolution 1848/49 3 Separatismus 3 amerikanische Truppen 3 französische Truppen 3