Geschichte des Instituts

Die Anfänge des heutigen Instituts liegen in der Zeit des Nationalsozialismus: Im Oktober 1936 kam es zur Eröffnung der sogenannten „Mittelstelle Saarpfalz – ‚Landsleute drinnen und draußen‘“. Die Neugründung sollte als Sippen- und Auswanderungsforschungsabteilung des „Saarpfälzischen Instituts für Landes- und Volksforschung“ ihre Arbeit aufnehmen. Dieses hatte der Leiter des Gaus „Saarpfalz“, Josef Bürckel, erst kurz zuvor ins Leben gerufen, überdies bezuschusste es der Kreistag der Pfalz. Leiter der „Mittelstelle“, welche damals im Kaiserslauterer Karlsberg-Gebäude am Stiftsplatz 5 residierte, wurde Fritz Braun, u.a. Fachberater für Grenz- und Ausland in der Gaukulturhauptstelle der NSDAP.

Die „Mittelstelle“ agierte als Propagandaeinrichtung des NS-Regimes mit der primären Aufgabe, dessen rassistische wie expansive Ideologie zu legitimieren und zu verbreiten (Stichworte: Ahnenforschung, „Blut und Boden“, „Germanisierung“). Nicht umsonst umfasste das ihr übergeordnete „Saarpfälzische Institut“ neben der Volkskunde und Flurnamenforschung als Abteilung auch die Pseudowissenschaft der „NS-Rassenkunde“. Hier liegen auch die Wurzeln der Migrationskartei.

Fritz Braun, ein bekennender Nationalsozialist und Antisemit, war nach Kriegsbeginn zeitweise als Reserveleutnant der Wehrmacht eingezogen worden. In der Zwischenzeit arbeitete er 1940 bis 1942 in der lothringischen Annexionsverwaltung – für die Dauer der deutschen Besatzung Frankreichs hatte man in Metz eigens eine Filiale der nunmehrigen „Mittelstelle Westmark“ errichtet. Die brutale „Germanisierungspolitik“ Josef Bürckels in Lothringen, aufgrund derer allein bis Ende 1940 mehr als 60.000 Menschen ins unbesetzte Frankreich ausgewiesen worden waren, wurde nicht zuletzt durch Brauns Arbeiten vorangetrieben und umgesetzt. Dies betraf u.a. die Eindeutschung französischer Familiennamen, aber auch seine rassistischen „Schulungen“ für die Deutsche Arbeitsfront (DAF) zur Diskriminierung ausländischer Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Der der SS unterstehenden Volksdeutschen Mittelstelle (VoMi) übersandte er Anfang 1942 eine angeforderte Liste aller „fremdvölkischen“ Arbeitskräfte in Lothringen. Ziel war die Deportation von bis zu 80.000 weiteren Menschen, die wegen des Kriegsverlaufs indes nicht mehr realisiert werden konnte.

Ebenso beteiligte sich Braun an der „Germanisierungspolitik“ im deutsch besetzten Polen: Für den zum Distrikt Lublin gehörenden Kreis Zamość lieferte er Ende 1941 im Auftrag des SS- und Polizeiführers Odilo Globocnik bereitwillig historische Daten zu Nachfahren von Pfälzer Auswanderern für die dort durchgeführte Ansiedlung von Deutschen und Deutschstämmigen. Voraussetzung dieses Siedlungsplans waren die großflächige Vertreibung und der Massenmord an der lokalen Bevölkerung. Brauns Verbindungsmann und Korrespondent im Stab von Globocnik – der seinerseits während der Aktion Reinhardt die Ermordung von mehr als 175.000 Jüdinnen und Juden in den Vernichtungslagern Majdanek, Belzec, Sobibór und Treblinka befohlen hatte – war der österreichische Volkstumsforscher und SS-Mann Franz Stanglica. Nacheinander Mitglied der Wachmannschaften der Konzentrations- und Vernichtungslager Oranienburg und Auschwitz, zeichnete Stanglica allein in seinem Planungsbereich während der Aktion Reinhardt für die Ermordung von bis zu 50.000 jüdischen Bürgerinnen und Bürgern verantwortlich. Dazu kamen bis 1943 noch über 100.000 weitere Polinnen und Polen, die im Rahmen der Kolonisierung als nicht „eindeutschungsfähig“ eingestuft worden waren – was für sie in Konsequenz entweder Deportation und Ermordung, Zwangsarbeit oder Verhungern bedeutete. Aufgrund seiner Position, Tätigkeit und Verbindungen zur SS muss davon ausgegangen werden, dass Braun über die Folgen seiner Arbeit und die Grundzüge des Holocausts hinreichend im Bilde war. Jedenfalls bekannte er gegenüber Stanglica seine „Freude“ über den eigenen Beitrag zur „Volkstumsaufgabe“ der Umsiedlung, in deren Verlauf er überdies die Propagandaschrift „Wir schaffen im Glauben an Deutschland“ herausgegeben und entsprechende kulturpolitische Maßnahme vor Ort veranlasst hatte.

Hatte 1945 die US-Besatzungsmacht die „Mittelstelle“ als „Naziorganisation“ schließen lassen, setzte Braun nach kurzer Kriegsgefangenschaft und einem Entnazifizierungsverfahren seine Forschungen zur Pfälzer Auswandererung in den Folgejahren zunächst freiberuflich fort. Sein Einsatz zugunsten der Heimatvertriebenen war für den wiedergegründeten Bezirksverband eines der Argumente, ihn 1953 in Kaiserslautern erneut zum Leiter der von ihm selbst vorgeschlagenen „Heimatstelle Pfalz“ zu berufen. Brauns Beteiligung an der NS-Vertreibungspolitik während des Krieges spielte als Beurteilungskriterium hier offensichtlich keine Rolle, ebenso wenig die Tatsache, dass der dem Bezirksverband wahrheitswidrig versichert hatte, er hätte zuvor nicht mit der „Volksdeutschen Mittelstelle“ kooperiert. Die „Heimatstelle“ war bis 1960 noch immer am Kaiserslauterer Stiftsplatz ansässig, zog danach in die Augustastraße und schließlich 1964 in das Gebäude der Landesgewerbeanstalt, das heutige Museum Pfalzgalerie. Aus heutiger Sicht und mit Blick auf Brauns NS-Karriere äußerst schwer nachvollziehbar, wurde bei der Schaffung der „Heimatstelle“ also ihre ausdrückliche inhaltliche Kontinuität zur Vorgängereinrichtung durch den Bezirkstag Pfalz betont.

Nach Brauns Ruhestand 1970 beerbte ihn der Kaiserslauterer Historiker Karl Scherer als Einrichtungsleiter. In Scherers Amtszeit erfolgte nicht nur 1972 der erneute Umzug der „Heimatstelle“ in die Gründerzeitvilla am Benzinoring 6, sondern auch eine Erweiterung, Neuausrichtung und Modernisierung der Forschungsinhalte in Richtung Landesgeschichte und Volkskunde.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung zu sehen, ist auch die 1986 erfolgte Umbenennung der Einrichtung in die heute noch gültige Bezeichnung „Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde“ (IPGV). Innere Verfasstheit und Aufgaben des Instituts sind seit den 1980er Jahren, ungeachtet einzelner Neujustierungen, zumindest im Grundsatz unverändert geblieben.

 

Direktorinnen und Direktoren des Instituts und seiner Vorgängereinrichtungen

 

Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde

  • Dr. Sabine Klapp (seit 2017)
  • Roland Paul (2013 bis 2016)
  • Dr. Theo Schwarzmüller (2002 bis 2012)
  • Karl Scherer (1986 bis 2002)

Heimatstelle Pfalz

  • Karl Scherer (1970 bis 1986)
  • Dr. Fritz Braun (1953 bis 1970)

Mittelstelle Saarpfalz (ab 1940 bis 1945 Mittelstelle Westmark)

  • Dr. Fritz Braun (1936 bis 1945)