Zwangsarbeit in der Pfalz 1939 bis 1945: Internierung – Einsatzorte – Repression

Projektpartner und Fragestellung

Zwangsarbeiter*innen vor dem Lager "Biebermühle" [1942/43] (Foto-Striemann, Lichtbildwerkstätte Pirmasens - Privatarchiv Bernd Stephan)

Die vielschichtige Thematik der NS-Zwangsarbeit innerhalb der Pfalz geriet verstärkt erst seit den 1990er Jahren zum Gegenstand öffentlichen Interesses durch zivilgesellschaftliche Gedenk- und Friedensarbeit, Presseberichterstattung und nicht zuletzt die Geschichtswissenschaft. Diese regionale Entwicklung korrespondierte mit der gesamtdeutschen Disziplin Zeitgeschichte, welche durch die nach dem Ende der Sowjetunion stattfindenden Öffnungs- und Austauschprozesse zentrale und nachhaltige Impulse im betreffenden Forschungsbereich erhielt. Die vom Deutschen Bundestag im August 2000 beschlossene Gründung der "Stiftung Erinnern, Verantwortung und Zukunft" führte seinerzeit zu einer Intensivierung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Hat die regionale Forschung dementsprechend bereits einige verdienstvolle Beiträge, etwa im Bereich der Stadtgeschichte, hervorgebracht (z.B. die Arbeit von Eginhard Scharf), besteht bezüglich eines pfalzweiten Ansatzes mit dezidiert flächendeckendem Fokus noch ein erhebliches Desiderat. Dies betrifft nicht zuletzt das hiesige Netz der Zwangsarbeiterlager, welches ab Ende 1939 entstand – als direkte Folge des nationalsozialistischen Expansionskriegs in Europa und Werkzeug einer Kriegswirtschaft, die auf der Ausbeutung und teilweisen Vernichtung von Millionen nach Deutschland zwangsverschleppter Menschen fußte. In der Untersuchung der Topographie und funktionalen Differenzierung dieses Lagerkomplexes besteht ein wesentliches Ziel des im Februar 2021 angelaufenen Forschungs- und Gedenkprojekts des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde und des Zentralarchivs des Bezirksverbands Pfalz. Damit untrennbar verbunden sein müssen allerdings gleichfalls die Fragen nach dem Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern in den wichtigsten Zweigen von Industrie und Landwirtschaft, ihrem Verhältnis zur lokalen Bevölkerung sowie den ihnen begegnenden staatlichen Repressionsmechanismen.   

Neben der obligatorischen Kooperation mit allen in Frage kommenden Historikerinnen und Historikern und – aufgrund der differenzierten Quellenlage – zahlreichen Archiven wird, soweit noch möglich, ebenso das Interviewen von ehemaligen Zwangsarbeitern, ihren Angehörigen und außenstehenden Zeitzeugen angestrebt (“oral history“). Die gewonnenen Gesamterkenntnisse sollen später in einem umfassenderen Webauftritt angemessen dokumentiert werden.

Zwangsarbeiter beim Beackern der Freifläche vor der Landesgewerbeanstalt Kaiserslautern [1939-1945] (Stadtarchiv Kaiserslautern, Fotoslg.)

Zwangsarbeit im Kriegsverlauf: Nationen, Lagertypen, Wirtschaftszweige 

Der in mehreren Stadien ablaufende Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter innerhalb der Pfalz hatte seine Ursache im Arbeitskräftemangel, der wegen eines übersättigten Arbeitsmarkts innerhalb der regionalen Wirtschaft bereits kurz vor September 1939 spürbar war. Nach Kriegsbeginn verschärfte sich diese Problematik angesichts des massenhaften Einrückens arbeitender Männer. Gab es von Wehrmachtsseite aufgrund der Grenzlage der Pfalz und der Angst vor Sabotage anfänglich noch Widerstand, Kriegsgefangene in der Wirtschaft einzusetzen, wurde dieser wegen innenpolitischen Drucks und des zunächst erfolgreichen Kriegsverlaufs in Polen und Frankreich bis Sommer 1940 weitgehend überwunden. Hinsichtlich der nationalen Herkunft der Zwangsarbeiterschaft wurden, in der Abfolge dem Kriegsverlauf entsprechend, größtenteils Polen, Franzosen und – nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 – vor allem Russen und Ukrainer in die Pfalz deportiert. Hinzu kam, bedingt durch den Bündniswechsel Italiens 1943, ein nicht unbeträchtlicher Anteil italienischer Kriegsgefangener. Den Höchststand erreichten die Zahlen schließlich von Juni 1943 bis Juni 1944: Geschätzte 70.000 bis 75.000 ausländische Frauen und Männer plagten sich in dieser Zeit auf pfälzischem Boden.

Zur Unterbringung, Kontrolle und Überwachung einer solchen Arbeitermasse wurde in kurzer Zeit ein Netzwerk neuer Lager unterschiedlicher Größe und Zuständigkeit aufgebaut – in Parallele zu bestehenden Konzentrationslagern wie Hinzert, diese ihrerseits Orte der Zwangsarbeit (Stichwort: Westwallbau). Art und Ort der Internierung reichten dabei von befestigten Barackenlagern mit Stacheldraht und bewaffneten Wachen über Kasernen bis hin zu Schulen, Turnhallen und selbst Gasthäusern. In dem der Wehrmacht unterstehenden Stammlager (Stalag) XII B in Frankenthal waren Kriegsgefangene unterbracht, es besaß für die kommunale Zuteilung solcher Arbeitskräfte eine regionale Drehscheiben-Funktion. Im von der Deutschen Arbeitsfront (Arbeitsamt Pirmasens) ab 1942 betriebenen Durchgangslager (Dulag) „Biebermühle“ beim Bahnhof Pirmasens-Nord (Gemarkung Donsieders) fanden sich neben Kriegsgefangenen auch „Zivilarbeiter“ wieder. Die dritte maßgebliche Kategorie bildeten von der Privatwirtschaft betriebene Lager. Solche existierten im gesamten pfälzischen Industriesektor, von zahlreichen Beispielen seien hier lediglich für die Textilindustrie die Kammgarnspinnerei AG Kaiserslautern, für den Maschinenbau die Maschinenfabrik Dingler Zweibrücken und - innerhalb der Kriegswirtschaft von essenzieller Bedeutung - für die Chemie- und Schwerindustrie des Großraums Ludwigshafens primär die zum damaligen Firmenverbund I.G. Farben gehörende BASF genannt. Deren Lager allein umfasste ein Zwangsarbeiterkontingent von bis zu 14.000 Menschen.