Daniel Häberle: Vor 80 Jahren: Der Historiker und Landeskundler Daniel Häberle stirbt in Heidelberg

Veröffentlicht am 10. Januar 2014
Photographie des alten Daniel Häberle mit Schnauzbart, nur der Kopf abgebildet.
Daniel Häberle (aus: Pfälzische Lebensbilder, Bd. 5)

Der bedeutende pfälzische Gelehrte Prof. Daniel Häberle hat im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auf ganz verschiedenen Wissenschaftsgebieten untrügliche Fußspuren hinterlassen. So gab er der Landes- und Volkskunde, der Geologie und Geographie, der Geschichte und Archäologie sowie der Migrations- und Mundartforschung wichtige Impulse. Die Liste seiner Veröffentlichungen umfasst mehr als 600 Titel, darunter zahlreiche Monographien größeren Umfangs. Die von ihm erstellte sechsbändige „Pfälzische Bibliographie“, die stupende Herkulesarbeit eines einzelnen, gehört nach wie vor zu den wissenschaftlichen Standardwerken. Von 1910 bis 1921 war er Herausgeber der von ihm 1910 ins Leben gerufenen Zeitschrift „Pfälzische Heimatkunde“, ab 1922 Mitherausgeber des „Pfälzischen Museums“. In vielen Vereinen und Gesellschaften war er nicht nur Mitglied, sondern aktiver Mitarbeiter, später in einigen auch Ehrenmitglied. Mit seinem unglaublich vielseitigen Fachwissen hat Daniel Häberle unvergesslich seiner pfälzischen Heimat gedient. Seine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere war ihm jedoch nicht an der Wiege gesungen. Denn weder seine Herkunft noch sein zunächst eingeschlagener, abenteuerlich anmutender Berufsweg ließen an ein Leben als bekannter und angesehener Wissenschaftler denken.

Am 8. Mai 1864 wurde Häberle als Sohn eines Gutsbesitzers auf dem an der Strecke zwischen Kaiserslautern und Enkenbach-Alsenborn gelegenen Daubenbornerhof geboren. Die Häberles, Nachfahren von Einwanderern aus dem Allgäu, besaßen den Hof seit 1748. Um gemäß dem Wunsch der Eltern protestantischer Pfarrer zu werden, besuchte der kleine Daniel das Gymnasium in Kaiserslautern. Allerdings verließ er die Schule vorzeitig und fuhr ab 1883 zur See. Auf Handels- und Kriegsschiffen brachte er es bis zum Reserveoffizier. Seine Reisen führten ihn auf alle Kontinente der Erde: neben Schweden, England und Frankreich war er in Nord-, Süd- und Mittelamerika, West- und Ostindien, Süd- und Ostasien sowie in Australien und in der Südsee. Nach Ausbruch des großen Araberaufstands in Ostafrika kämpfte Häberle 1888/89 dort in der Schutztruppe. Anschließend war er von 1891 bis 1902 als Reichskolonialbeamter in Deutsch-Ostafrika tätig. Dort gelang ihm der Aufstieg zum Vorstand der Gouvernementshauptkasse in Daressalam. 1899 heiratete er Emilie Großarth aus Odernheim am Glan, die zu ihm nach Ostafrika übersiedelte und zwei Töchtern das Leben schenkte. Der Verbleib des frisch vermählten Paares in der Kolonie währte jedoch nur bis zum Sommer 1902, als eine schwere Tropenkrankheit Häberle zwang, seinen Abschied einzureichen. Bei seiner Ruhestandsversetzung wurde ihm unter Bewilligung einer auskömmlichen Pension der Titel „Kaiserlicher Rechnungsrat“ verliehen. Sein Ruhestandsgehalt ermöglichte ihm nach der Rückkehr die Ansiedlung mit seiner Familie in Heidelberg.

Mit Einschreibung an der dortigen Universität begann für den inzwischen 38-jährigen Häberle gleichsam ein zweites Leben, das der Wissenschaft geweiht sein sollte. Von 1902 bis 1906 studierte er in Heidelberg Geschichte, Geographie, Volkswirtschaft und Naturwissenschaften und wurde 1907 mit einer paläontologischen Arbeit über „Triadische Gastropodenfauna von Predazzo (Südtirol)“ promoviert. Danach war er insbesondere am Geologischen Institut der Universität Heidelberg „Lehrbeauftragter für pfälzische Heimatkunde auf geologischer Grundlage“. Neben seiner Mitarbeit als Schriftleiter der „Geographischen Zeitschrift“ war der inzwischen zum versierten Wissenschaftler avancierte Häberle von 1915 bis 1930 in Heidelberg – teils in führender Position – kommunalpolitisch engagiert und besorgte darüber hinaus von August 1914 bis Dezember 1919 die Wirtschaftsleitung des Heidelberger Kriegslazaretts, in dem in diesem Zeitraum 8.909 Verwundete versorgt wurden. Auch heute noch verblüfft Häberles wissenschaftliches Arbeitspensum angesichts seiner zahlreichen und zeitraubenden anderweitigen Verpflichtungen. In Anerkennung seiner Verdienste verlieh ihm der Großherzog von Baden den Professorentitel.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem staatlichen Zusammenbruch fand er sein Auskommen als Angestellter der Handelshochschule Mannheim – ab 1924 als nebenamtlicher Dozent. Zudem war er Rechner der „von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst“ zu Heidelberg und Leiter des der Stiftung angegliederten Instituts für Pfälzische Landeskunde. Ab dem Sommersemester 1932 hatte er erneut einen Lehrauftrag für pfälzische Landeskunde auf geologischer Grundlage an der Heidelberger Universität inne und wurde im April 1934, wenige Monate vor seinem Tod, zum ordentlichen Professor ernannt.

Im Rahmen seiner zahlreichen geologischen, geographischen und historischen Untersuchungen machte der renommierte Wissenschaftler die räumliche Gliederung der Pfalz in natürliche Landschaften breiten Bevölkerungsschichten bekannt. In diesem Zusammenhang sorgte er für die wissenschaftliche Etablierung des Landschaftsbegriffes „Pfälzerwald“, der nach seinen eigenen Recherchen 1843 erstmals bei einem Treffen von Forstleuten in Johanniskreuz geprägt und nicht zuletzt durch die Namensgebung des Pfälzerwald-Vereins (PWV) in Gebrauch gekommen und verbreitet worden war. Schon früh stellte Häberle sein wissenschaftliches Wirken in den Dienst des 1903 gegründeten PWV. Die ersten umfassenden landeskundlichen Studien aus seiner Feder erschienen in Schriften bzw. in der Verlagsabteilung des PWV: „Das Felsenland des Pfälzerwaldes (Pfälzischer Wasgenwald). Ein Beispiel für die Entstehung bizarrer Verwitterungsformen im Buntsandstein“ (1911), „Der Pfälzerwald. Ein Beitrag zur Landeskunde der Rheinpfalz“ (1911/13), „Die natürlichen Landschaften der Rheinpfalz. Ein Beitrag zur pfälzischen Heimatkunde“ (1913). Diese Arbeiten Häberles „waren grundlegend für eine moderne geographische Bestandsaufnahme in der Pfalz“ (Kurt Reh). Zahlreich sind die populär-wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Gelehrten besonders im „Pfälzerwald-Verein Wanderbuch“. Genannt seien stellvertretend seine Aufsätze „Berg und Tal im Pfälzerwald“ (Wanderbuch 1928, S. 155-171), „Die Besiedlung des Pfälzerwaldes“ (ebd. 1930, S. 47-71), „Alte Straßen und Wege in der Pfalz“ (ebd. 1931, S. 66-125) sowie „Von den Quellen im Pfälzerwald“ (ebd. 1934, S. 15-54). Seine Veröffentlichungen waren nicht zuletzt Ausfluss seiner unzähligen Wanderungen sowie wissenschaftlichen Exkursionen und Führungen im gesamten Gebiet der Pfalz. Mit seinen Studenten sowie mit Mitgliedern des PWV und der Pollichia (Verein für Naturkunde) unternahm er als fachkundiger Dozent viele Lehrwanderungen im Pfälzerwald. Er hatte die Gabe, seinen Zuhörern auf unterhaltsame Weise und in einfacher Sprache landschaftliche Eigenheiten der Pfalz näher zu bringen.

Von seinen Wandergenossen nahm der als charmant, offen, fröhlich und gesellig geschilderte „Herr Rat“ gerne nach einem ausgedehnten Wandertag Abschied in einem gemütlichen Lokal. Noch im fortgeschrittenen Alter erkundete Daniel Häberle in Wanderstiefeln die pfälzischen Landschaften und übernachtete nicht selten unter freiem Himmel in einen alten Soldatenmantel gehüllt tief im Pfälzerwald. Die schier unerschöpfliche Vielfalt seiner Heimat hat er sich förmlich erwandert und sie wohl wie kaum ein anderer seiner Zeit „er-fahren“. Häberle vermittelte die Begeisterung für seine Heimat in zahllosen Seminaren und Vorträgen, in denen er seinen Zuhörern die kultur-geographischen Besonderheiten der Pfalz vermittelte. Gerade die Lehrerschaft der damals bayerischen Pfalz profitierte in Wissenserwerb und -vermittlung von den rastlosen Wanderungen und Forschungen des Ehrenbürgers von Odernheim und Enkenbach.

Das Lebenswerk des hochangesehenen Wissenschaftlers ist gleichsam eine Synthese zwischen geographischer und geschichtlicher Landeskunde. Die Quelle für Häberles Schaffen war die große Liebe zu seiner pfälzischen Heimat. Diese Tatsache findet in einem Eintrag im Gästebuch von Häberles Elternhaus seinen beredten Ausdruck: „Dem Pfälzer ist der Drang in die Ferne angeboren. Auch mich hat es in jungen Jahren hinausgetrieben. Fast ein Vierteljahrhundert bin ich auf allen Meeren gefahren und habe alle Erdteile gesehen. Aber die Pracht der Tropen hat es nicht vermocht, die Erinnerung an die Heimat zu verwischen. Und als ich wieder zu ihr zurückkehrte, sah ich erst, wie schön sie ist. Am schönsten aber ist sie dort, wo meine Wiege stand, auf dem waldumgrenzten Daubenbornerhof. Dahin zieht es mich immer wieder …“. Auf dem Gebiet der Heimatforschung erwarb sich der große Gelehrte unsterbliche Verdienste, für die ihm schon zu Lebzeiten weithin Anerkennung in Form zahlreicher Ehrungen und Auszeichnungen zuteilwurde. Am 9. Juni 1934 verstarb er in Heidelberg im Alter von 70 Jahren und fand, wie auch später seine Frau, seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Odernheim am Glan.

Ihm zu Ehren wurde im Mai 1954 zu seinem 90. Geburtstag auf der Madenburg bei Eschbach eine Gedenktafel im Rahmen einer Feierstunde vom damaligen Vorsitzenden des PWV, Landforstmeister Hauck, enthüllt. In der Festrede wurde „der nimmermüde Einsatz“ des Gelehrten im und für den Pfälzerwald-Verein gelobt. Er sei stets „bereit gewesen, sein Wissen und Können in den Dienst seiner pfälzischen Heimat zu stellen“.

 

Inschrift der Gedenktafel:

Prof. Dr. Daniel Häberle

1864-1934

dem Forscher und Künder

der pfälzischen Heimat

unserem Ehrenmitglied

Freund und Helfer

Pfälzerwald-Verein.

 

Zur Erinnerung an den großen pfälzischen Gelehrten trägt in Kaiserslautern und Enkenbach jeweils eine Straße seinen Namen.

Ulrich Burkhart


Literatur und Quellen:

  • May, Hans Erich: Daniel Häberle, in: Pfälzer Lebensbilder, Bd. 5 (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 89), hrsg. von Hartmut Harthausen, Speyer 1996, S. 171-230.
  • Christmann, Ernst: Daniel Häberle zum 100. Geburtstag, in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 2 (1963/64), S. 122-126.

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