Ludwig Schandein

Vor 200 Jahren: Der Archivar, Heimatforscher und Mundartdichter wird in Kaiserslautern geboren

Veröffentlicht am 10. Januar 2013
Photographie des alten Ludwig Schandeins Kopf im Profil. Halbglatze und Schnauzer, er trägt einen Anzug.
Ludwig Schandein

Am 27. Juni jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag von Ludwig Schandein. Über drei Jahrzehnte leitete er das damalige Kreisarchiv der Pfalz in Speyer. Er wurde bekannt als einer der ersten pfälzischen Mundartdichter sowie durch seine historischen und volkskundlichen Veröffentlichungen.

Schandein wurde 1813 in Kaiserslautern geboren. Er entstammte einem kinderreichen Elternhaus und hatte zehn Geschwister. Sein Vater, der Schneidermeister Martin Schandein, stammte aus Wachenheim an der Haardt. Er wurde 1799 Bürger der Barbarossastadt, nachdem er sich mit Rosina Knieriemen, einer Lauterer Schneiderstochter, verheiratet hatte. Nach dem Besuch der Volksschule und des Progymnasiums trat Ludwig Schandein in die Lehrerbildungsanstalt ein, die er 1831 mit einem ausgezeichneten Zeugnis verließ. Er wurde unter die „Klasse der vorzüglich befähigten“ Lehrer eingereiht. Seine Lehrfähigkeit und Kenntnisse wurden mit „vorzüglich“ sein Gesang mit „gut“ und das Orgelspiel ebenfalls mit „vorzüglich“ bewertet. Seine ersten Lehrerstellen erhielt er in Weidenthal und Deidesheim. Nachdem er noch einmal die Schulbank gedrückt und am Speyerer Gymnasium die Maturitätsprüfung abgelegt hatte, studierte er an der Universität in München Philosophie und Geschichte. Darüber hinaus befasste er sich in München unter Leitung des Sprachforschers und Begründers des Bayerischen Wörterbuchs Johann Andreas Schmeller (1785-1852) mit germanistischen und paläographischen Studien. Danach arbeitete er zunächst an der Münchener Universitätsbibliothek, bis er 1852 eine Stelle als Archivsekretär am Reichsarchiv in München antreten konnte. 1858 wurde er Vorstand des pfälzischen Kreisarchivs in Speyer. 1876 erhielt er den Titel „Kreisarchivar“. Zu seinem 70. Geburtstag wurde ihm 1883 von der bayerischen Regierung der Titel „Königlich-Bayerischer Reichsarchivrat“ verliehen. Nach 31jähriger Tätigkeit in Speyer trat er 1889 im Alter von 76 Jahren (!) in den Ruhestand.

Auf Anregung Schmellers befasste sich Schandein bereits in München mit dem Dialekt seiner westpfälzischen Heimat, der ihm besonders am Herzen lag. Er verfasste zahlreiche Mundartgedichte und brachte 1854 im Verlag Cotta in Stuttgart seine „Gedichte in westricher Mundart“ heraus. Darunter befindet sich auch sein bekanntes Gedicht „Die Auswannerer“ („De liewe Landsleit in Amerika“ gewidmet). Von der Auswanderung waren er und seine Familie selbst betroffen, da einige seiner nächsten Verwandten damals in die USA aufbrachen. Die meisten von ihnen lebten nach einigen Jahren in überwiegend guten Vermögensverhältnissen in Philadelphia, Chicago und Milwaukee. Ludwig Schandeins Neffe Emil Schandein (1840-1888) heiratete Elisabetha Best, die Tochter des Gründers der späteren „Pabst Brewery“ in Milwaukee, deren Teilhaber er wurde. Er war ein großer Wohltäter seiner pfälzischen Heimat und vermachte der Kaiserslauterer Kreisrealschule und dem Pfälzischen Gewerbemuseum, möglicherweise auf Empfehlung seines Onkels Ludwig Schandein, größere Geldbeträge, die „würdigen armen Schülern“ und „braven, strebsamen Lehrlingen“ zugute kommen sollten. Daher trägt in Kaiserslautern eine Straße seinen Namen, während die Schandein-Straße in Speyer an Ludwig Schandein erinnert.

Für den 1867 in München erschienenen vierten Band der „Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern“ verfasste Ludwig Schandein für den Teil „Rheinpfalz“ die Kapitel „Haus und Wohnung“, „Volkstracht“, „Volkssage“, „Volkssitte“, „Nahrung“ und „Mundart“. Neben den zehn Jahre zuvor erschienenen Werken von Wilhelm Heinrich Riehl („Die Pfälzer. Ein rheinisches Volksbild“) und August Becker („Die Pfalz und die Pfälzer“) legte Schandein damit die dritte bedeutende Arbeit zur pfälzischen Volkskunde vor. Es dauerte über 50 Jahre, bis durch Albert Beckers „Pfälzische Volkskunde“ wieder ein weiteres grundlegendes Werk zur Volkskunde der Pfalz erscheinen sollte. Schandeins Arbeit ist dennoch eine unverzichtbare Quelle geblieben. Während sich Riehl in seinem Buch auch ausführlich mit den Themen Siedlung und Wohnung, Volkstracht und Pfälzische Küche befasste, worauf Schandein, wie er selbst ausführte, wiederholt Bezug nahm, wandte sich Schandein mehr den Bereichen „Volkssage“ und „Volkssitte“ zu.

Der umfangreichste Beitrag in der „Bavaria“ ist der Volkssage gewidmet, wobei er geschichtliche Sagen von kirchlichen Sagen, Spuk- und mythischen Sagen unterscheidet. Vor allem das Kapitel „Volkssitte“ ist eine wahre Fundgrube für die volkskundliche Forschung der Pfalz heute. Schandein beleuchtete darin sehr anschaulich das Brauchtum im Jahreslauf, an Weihnachten, Fasnacht, am Sommertag, an Pfingsten („Quack“) und in der „Gehannsenacht“. Auch längst in Vergessenheit geratene Bräuche im Familienleben, bei Geburt, Taufe, Hochzeit und Tod wurden von ihm dargestellt. Ausführlich beschrieb Schandein auch die Kerwe, „der stehende goldene Tag im Kalender des ländlichen Lebens“.

Als Lauterer wusste er auch, dass die Barbarossastadt eine Hochburg der Fasnacht war: „Der Preis eines echt karnevalistischen Lebens, ganz in der Art der altberühmten Städte am Rheine, gebührt unbestritten der Stadt Kaiserslautern“, schrieb er. Schandein informierte uns über alte Gesindebräuche wie den “Bündelchestag“ oder „Wannersdah“ der Mägde und Knechte, das „Dienstbotenfest“, wie er es nannte, über alte Rechtsbräuche wie Grenzumgänge, das „Pritschen“ beim Grenzumgang in Kaiserslautern, das „Stutzen“ in Weisenheim am Berg, über Merkwürdigkeiten der pfälzischen Volksheilkunde wie das „Brauchen“, das Besprechen der Krankheit unter Nennung der höchsten Namen. Seine Darstellungen zur pfälzischen Volkskunde sind keineswegs trocken. Schandein versteht es, seinen Text mit überlieferten, mitunter auch eigenen Mundartversen und -liedern aufzulockern.

Neben diesem wichtigen Beitrag in der „Bavaria“ veröffentlichte Schandein mehrere Abhandlungen in den Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, insbesondere zu den Weistümern verschiedener pfälzischer Dörfer. Viele Jahre engagierte er sich auch im Vorstand des Historischen Vereins der Pfalz als 1. Sekretär.

Ludwig Schandein starb am 25. Oktober 1894 in Speyer. Auf dem dortigen städtischen Friedhof fand er seine letzte Ruhestätte. Das Grabdenkmal ist noch heute erhalten.

In der zum 150. Geburtstag Ludwig Schandeins in der „Pfälzer Heimat“ veröffentlichten Würdigung Schandeins als Volkskundeforscher bemerkte Professor Dr. Ernst Christmann 1963: „Schandein trug ein bewundernswertes Material zusammen, obwohl er es vielfach aus ‚Trümmern‘ ans Licht ziehen mußte, und es ist nur gerecht, wenn wir ihn aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Geburtstages würdigen und ehren.“

Auch aus Anlass seines 200. Geburtstages möchten wir an ihn erinnern.

Roland Paul


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