Lina Pfaff

Vor 150 Jahren: Zum Geburtstag der Unternehmerin Lina Pfaff

Veröffentlicht am 10. Januar 2004
Porträtphotographie von Lina Pfaff in höherem Alter, mit Perlenkette.
Lina Pfaff

Als viertes Kind und als dritte Tochter des damaligen renommierten Instrumentenmachers und späteren bekannten und berühmten Gründers der Nähmaschinenfabrikanten, Georg Michael Pfaff (1823–1893), und Johanna Pfaff, geborene Crusius (1824–1878), wurde Lina Pfaff am 30. August des Jahres 1854, also vor nun genau 150 Jahren, in Kaiserslautern in der damaligen Rummelgasse Nummer 15 geboren. Ihre beiden älteren Schwestern, nämlich Johanna Pfaff (1850–1868) und Magdalena Pfaff (1851–1864) erreichten nur das Kindes- beziehungsweise Jugendalter. Lina Pfaff besuchte zunächst in Kaiserslautern das private Mädcheninstitut Jacob, ein Mädchenpensionat, das Frieda und Lina Jacob begründet hatten und das 1887 mit dieser Art Mädchenrealschule einen stattlichen Neubau in der Bruchstraße bezog.

Nach dem Besuch dieser Jakobschen Mädchenrealschule, die der Vorläufer des Franziskanerinstituts war, besuchte die inzwischen 17-jährige Lina Pfaff ein Mädchenpensionat für “höhere Töchter” in der Universitätsstadt Heidelberg; wir würden es heute als Vorform einer Hauswirtschaftlichen Berufsfachschule bezeichnen. Auf dem Lehrplan standen neben Hauswirtschaft und Haushaltsführung auch Nähkunde (unter anderem Nähen, Häkeln und Sticken). Im Mittelpunkt stand aber die Anstandslehre, das heißt für damalige Verhältnisse: einwandfreie Umgangsformen. Sie verließ das private Heidelberger Mädchenpensionat im Sommer 1872 mit einer, wie wir heute sagen würden, hauswirtschaftlich betonten “Mittleren Reife”. Dann sah sich Lina Pfaff schon ab 1872, als 18-Jährige, gern im damals noch in der Mozartstraße befindlichen väterlichen Betrieb um, der gerade dabei war, sich zu einer beachtlichen Nähmaschinenfabrik zu entwickeln.

Nach dem frühen Tod ihres zweiten Bruders Jakob Pfaff (1856–1889), also vier Jahre vor dem Tode des Vaters und Gründers (1893), trat sie bereits 1889, als damals sehr attraktive, aber auch selbstbewusste und nun auf eine Ehe und auf Kinder verzichtende 35-jährige Frau, in den väterlichen Betrieb ein, ein im Wachsen befindliches modernes Industrieunternehmen, das sich anschickte, eine Weltfirma zu werden.

Seit dem Tod ihres anderen Bruders Georg (1853–1917) führte sie mit beachtlicher und ständig wachsender Sachkenntnis das Unternehmen selbst. Sie wirkte damit also 37 Jahre lang (von 1889 bis 1926) als Unternehmerin und führte zehn Jahre lang, von 1917 bis 1926, das Unternehmen von Weltrang mit damals 5.000 bis 6.000 Mitarbeitern allein. Im Jahre 1924, also im Alter von 70 Jahren, erhielt Lina Pfaff von der bayerischen Staatsregierung den Ehrentitel Kommerzienrätin, und die Stadt Kaiserslautern verlieh ihr das Ehrenbürgerrecht. Sie war damit die einzige Kommerzienrätin nicht nur in der Pfalz, sondern in Bayern. Erst 1926 wurde sie, unterdessen also 72-jährig, von ihrem Neffen, dem Diplomingenieur (Technische Hochschulen München und Berlin) Karl Pfaff (1889–1952) abgelöst, nachdem dieser bereits seit seiner Rückkehr aus französischer Kriegsgefangenschaft im Jahre 1919 als 30-jähriger Ingenieur, der vorher eine Siemens-Vertretung in London geleitet hatte, seiner nach wie vor allein für das Unternehmen verantwortlichen Tante unterstützend an die Hand gegangen war.

Als die bedeutende Unternehmerin 1929 im Alter von 75 Jahren starb, wurde sie von der ganzen Bevölkerung von Kaiserslautern betrauert. Lina Pfaff bewies nicht nur große unternehmerische Fähigkeiten, sondern hatte auch ein Herz für die Mitmenschen, besonders für die Armen und Bedürftigen. Auf Lina Pfaff geht die 1923 entstandene, für damalige Verhältnisse komfortable Pfaffsiedlung für bewährte Mitarbeiter und deren Familie in bester Lage der Stadt zurück, außerdem gründete sie eine beachtliche bis heute weiterwirkende Pfaff-Stiftung, aus der heraus Preise vergeben wurden und noch werden für herausragende Leistungen des Nachwuchses in Wirtschaft und Technik. Der Name Lina Pfaff war in Kaiserslautern und in der ganzen Pfalz ein Begriff, der Respekt, Ehrfurcht und Ansporn zugleich bedeutete. Durch sie wurde der soziale Rang der berufstätigen Frau erheblich angehoben.

Dr. Werner Weidmann
(4. April 1931–21. Juni 2004)


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