Adam Müller

Vor 125 Jahren: Zum Tod von Adam Müller, dem "Bauern-Pestalozzi" von der Sickinger Höhe

Veröffentlicht am 10. Januar 2004
Porträtphotographie von Adam Müller im Anzug mit Fliege
Adam Müller

Am 20. Mai 2004 jährt sich zum 125. Mal der Todestag von Adam Müller, der im 19. Jahrhundert die pfälzische Landwirtschaft ganz entscheidend geprägt hat. Am 14. Dezember 1814 wurde er in Gerhardsbrunn als Sohn der Bauersleute Valentin Müller und Anna Maria, geborene Pfeifer, geboren. Gerhardsbrunn galt lange Zeit in landwirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als ein mustergültiges Dorf, verhinderte doch dort das seit über zwei Jahrhunderten geltende “Losgüterrecht” die Aufteilung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes (“Realteilung”) und sicherte damit den Bauern einen gewissen Wohlstand.

In der kleinen örtlichen Volksschule galt Adam Müller als aufmerksamer Schüler, der auch musisch begabt war und mehrere Musikinstrumente beherrschte. Bei seiner Konfirmation gab ihm der damalige Mittelbrunner Vikar Moschel folgende Worte mit auf den Weg:

“Mit schönen Anlagen des Geistes hat Dich der Schöpfer geschmückt. Es wohnt in Dir ein eifriges Streben nach Erkenntnis, das die schönsten Hoffnungen erweckt. Diese Hoffnungen zu erfüllen, sei die Aufgabe Deines Lebens.”

Moschel, später Dekan in Kusel, zuletzt Konsistorialrat in Speyer, sollte Recht haben. Adam Müller verstand es, die in ihn gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.

Als 18-Jähriger verfolgte er 1832 bereits mit regem politischem Interesse die Ereignisse um das Hambacher Fest, für deren Ziel, ein freies und geeintes Deutschland, er sich wie sein Vater und andere Gerhardsbrunner Männer und Frauen begeisterte. Zur Erlernung der französischen Sprache wurde Adam Müller 1833 in ein Pensionat nach Lothringen geschickt. 20 Monate blieb er dort. Zuletzt war er nicht nur Schüler in Morhange, sondern er erteilte selbst Unterricht in deutscher Sprache und Musik. 1835 absolvierte Müller ein kaufmännisches Volontariat in einer Leinwandhandlung und Textilfabrik in Metz.

Zurückgekehrt nach Gerhardsbrunn betrieb er in seiner Freizeit ausgedehnte mathematische, botanische, physikalische und astronomische Studien und übte sich in der geometrischen Landvermessung.

In dem angesehenen Gutsbesitzer Felix Villeroy auf dem Rittershof bei St. Ingbert, den er oft am Wochenende besuchte, fand er einen väterlichen Freund, der ihn mit dem landwirtschaftlichen Schrifttum der damaligen Zeit vertraut machte. Von ihm angeregt, legte sich Adam Müller eine landwirtschaftliche Bibliothek an. Müller übersetzte auch das in französischer Sprache erschienene Werk Villeroys über die Pferdezucht ins Deutsche. Von 1841 an verfasste er mehrere Abhandlungen zu landwirtschaftlichen Fragen. Für die “Allgemeine Zeitschrift für Landwirtschaft” und die “Neue Speyerer Zeitung”, später auch für die “Rheinische Zeitschrift”, ja sogar für ein landwirtschaftliches Journal in Frankreich schrieb er Beiträge. Nach mehreren Reisen durch Frankreich und Belgien wurde er 1842 endgültig in Gerhardsbrunn sesshaft, nachdem er sich mit Anna Maria Höh verheiratet hatte. 1847 übernahm er dann auch den schwiegerelterlichen Hof, während seine Schwester, die mit dem Bruder seiner Frau verheiratet war, das elterliche Gut, übernahm.

Im Jahre 1845 brachte Adam Müller das “Lehrbuch der praktischen Landwirtschaft für Schulen und angehende Landwirthe” heraus, das in den folgenden Jahren zum meistgelesenen landwirtschaftlichen Lehrbuch in Bayern werden sollte und mehrere Auflagen erlebte.

Adam Müller war seiner Zeit voraus und setzte sich für eine moderne Landwirtschaft ein. Er führte Neuerungen auf seinem Hof ein, importierte wertvolles Zuchtvieh aus Frankreich und schaffte moderne Geräte wie Sämaschinen und Pflüge an. All dies wirkte anregend und befruchtend auf die breite Öffentlichkeit. Er vertrat die Ansicht, dass nur ein gut und in den unterschiedlichsten Bereichen ausgebildeter Landwirt auch ein erfolgreicher Bauer sein kann. “Jede Bildung, die den Verstand übt und das Herz veredelt, ist dem Landwirthe heilsam, selbst wissenschaftliche Studien schaden ihm nicht”, schrieb er im letzten Kapitel seines landwirtschaftlichen Lehrbuches.

Durch dieses Buch war Adam Müller weit über die Pfalz hinaus bekannt geworden, so dass sich angesehene Familien aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich, ja sogar ein Russe darum bemühten, ihre Söhne als “Zöglinge” zu ihm zu geben. Insgesamt haben Adam Müller und seine Frau zwischen 1847 und 1864 38 dieser jungen Männer aufgenommen und ihnen ein Zuhause und eine gründliche Ausbildung gegeben. Tagsüber wurden die Schüler in Viehzucht, Wiesenbau und Waldkultur, abends in der Theorie unterrichtet, aber auch klassische Schriftsteller wurden am Abend, sonntags und an Regentagen gelesen.

Adam Müller war auch ein engagierter Politiker. So wurde er bei den Wahlen zur ersten deutschen Nationalversammlung im Frühjahr 1848 für den Wahlbezirk Homburg zu einem der beiden Stellvertreter des Zweibrücker Advokaten Gulden gewählt. Im gleichen Jahr noch erfolgte Müllers Wahl in die bayerische Abgeordnetenkammer. 15 Jahre lang wirkte er als Landtagsabgeordneter in München und setzte sich dort konsequent für die Belange seiner pfälzischen Landsleute ein. Dabei verlor er seinen Heimatort nie aus den Augen. Von 1858 bis 1864 bekleidete er sogar noch das Amt des Bürgermeisters von Gerhardsbrunn.

Schon 1854 hatte Müller ein Gutachten zum Schulwesen verfasst und eine Landwirtschaftsschule gefordert. 1864 wurde schließlich, auf Müllers Betreiben hin, im Gebäude der Maxschule in Kaiserslautern, eine landwirtschaftliche Abteilung der Kreisgewerbeschule eingerichtet. Es war die Vorläuferin der späteren Ackerbauschule beziehungsweise Landwirtschaftsschule. Müller gab sein Landtagsmandat auf und wurde Lehrer an dieser Schule. Nur ein Jahr hat er hier gewirkt, bis ihn die bayerische Regierung wieder nach München rief.

Der berühmte Chemiker Justus von Liebig, seit Jahren mit Müller gut bekannt, hatte ihn 1865 als neuen Generalsekretär des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern empfohlen. Die Struktur dieser einflussreichen Organisation war Müller nicht unbekannt. Der Landwirtschaftliche Verein unterhielt auch in der Pfalz verschiedene Bezirksgruppen. Adam Müller leitete seit 1851 die Homburger Bezirksgruppe. Seine Tätigkeit in München war außerordentlich vielseitig und fand großes Lob. Er hatte Tagungen, Versammlungen und landwirtschaftliche Ausstellungen auf Landes- und Reichsebene zu organisieren, bis hin zu den Weltausstellungen in Paris und Wien 1867 und 1873, wo er für die Landwirtschaftsschauen verantwortlich war und die Bekanntschaft mit dem deutschen, dem österreichischen und dem französischen Kaiser machte. Der Landwirtschaftliche Verein gab auch eine Zeitschrift und einen Kalender heraus, deren Schriftleitung ebenfalls von Adam Müller wahrgenommen wurde.

1872 erhielt Müller einen Lehrauftrag für speziellen Pflanzenbau an der neu geschaffenen landwirtschaftlichen Abteilung der Technischen Hochschule München, wo er gleichzeitig als Prüfungskommissär für das landwirtschaftliche Unterrichtswesen fungierte.

Müllers Einsatz für die Landwirtschaft, die Volksbildung und das landwirtschaftliche Schulwesen wurden mit vielen Ehrungen belohnt. So hatte ihm der Landwirtschaftlichen Vereins bereits 1850 die große goldene Medaille verliehen, 1868 zeichnete ihn der bayerische König mit dem Verdienstorden vom Heiligen Michael aus, in- und ausländische Gesellschaften ernannten ihn zum Ehrenmitglied.

Nach einer Typhuserkrankung starb Adam Müller am 20. Mai 1879 in München. Drei Tage später wurde er in seiner Heimatgemeinde unter großer Anteilnahme beerdigt. Sein Grabstein aus weißem Marmor, der Name der Hauptstraße in Gerhardsbrunn, eine Gedenktafel an der Maxschule in Kaiserslautern und die noch heute vom Verein der landwirtschaftlichen Fachschulabsolventen an verdienstvolle Persönlichkeiten der Landwirtschaft verliehene Adam-Müller-Medaille erinnern an ihn. Seit 1998 trägt die regionale Schule in Bruchmühlbach-Miesau, zu deren Einzugsbereich der Heimatort des großen landwirtschaftlichen Lehrers und Agrarschriftstellers gehört, den Namen “Adam-Müller-Schule”.

Roland Paul


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