Ludwig Quidde

Vor 75 Jahren: Friedensnobelpreis für einen couragierten Politiker

Veröffentlicht am 10. Januar 2002
Porträtphotographie eines alten Ludwig Quidde mit Halbglatze und im Anzug.
Der deutsche Historiker, Publizist und Politiker Ludwig Quidde.

Am 10. Dezember 1927 wurde in Oslo in Anwesenheit des norwegischen Königs der deutsche Historiker, Publizist und Politiker Ludwig Quidde (1858-1941) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der in Bremen Geborene erhielt den Preis zusammen mit dem französischen Pädagogen und Politiker Ferdinand Buisson. Beide “Pioniere des Friedens” machten sich vor allem verdient um eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich, und zwar zu einer Zeit, in der das deutsch-französische Verhältnis durch den Ersten Weltkrieg und den Versailler Vertrag zutiefst gestört war.

Für den demokratischen Pazifisten Quidde bedeutete die Auszeichnung auch eine Anerkennung für seine jahrzehntelangen beharrlichen Bemühungen um Abrüstung und internationale Verständigung, für die er sich in zahllosen Reden (unter anderem auch in Kaiserslautern) und Publikationen und nicht zuletzt als Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft eingesetzt hatte. Quidde hat sich zugleich auch als ebenso couragierter wie profilierter Demokrat einen Namen gemacht und galt nach seiner Übersiedlung nach München im Jahre 1890 bald als Kopf der damaligen demokratischen Volkspartei in Bayern. Diese politische Gruppierung verfügte auch in Teilen der West- und Nordpfalz über einen respektablen Anhang und besaß in der in Kaiserslautern erscheinenden “Pfälzischen Volkszeitung” ein wichtiges Sprachrohr.

Quiddes unablässiger Kampf gegen den zeitgenössischen Militarismus und Antisemitismus sowie gegen den in der wilhelminischen Epoche verbreiteten “Geist des Byzanthinismus” schufen dem unerschrockenen Professor so manchen unversöhnlichen Gegner und bescherten ihm schmerzlichen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Boykott, ja sogar eine Haftstrafe wegen so genannter Majestätsbeleidigung. Dies vor allem nach seiner “ungeheueres Aufsehen erregenden” Schrift “Caligula – Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn” (1894), die sich in Wahrheit gegen Kaiser Wilhelm II. und dessen persönliches Regiment’ richtete. Als anerkannter “Führer der bayerischen Demokratie” vor dem Ersten Weltkrieg und engagiertes Mitglied des bayerischen Landtags (1907-1919) pflegte Quidde naturgemäß auch engere Beziehungen zur demokratischen Volkspartei der Pfalz, wo er 1898 im Wahlkreis Kaiserslautern-Kirchheimbolanden für die Reichstagswahlen kandidierte.

Bei seinen häufigen Besuchen und “Agitationsreisen für die Demokratie” scheute sich Quidde auch nicht, eine Anzahl von Dörfern aufzusuchen, um ganz unmittelbaren Kontakt zu den ländlichen Wählern zu finden. Auf diesen Touren kam er sich dann gelegentlich vor wie der “reine Comnis voyageur’ der deutschen Demokratie”. Durch die ausführliche Berichterstattung seitens der “Volkszeitung”, für die Quidde im Übrigen selbst einige Beiträge verfasste, gewannen seine Auftritte zusätzlich an Publizität. Da Quidde ein recht wirkungsvoller Redner war und überhaupt auf Grund seiner ganzen Persönlichkeit einen unverkennbaren Eindruck auf die Zeitgenossen machte, gewann er neben einem hohen Bekanntheitsgrad auch eine spürbare Popularität hierzulande.

Zu den Höhepunkten seines politischen Wirkens zählten fraglos die Kundgebungen in der traditionsreichen Fruchthalle in Kaiserslautern, in der vor dem Ersten Weltkrieg viele Exponenten der damaligen Politprominenz weilten. Hier und in Kirchheimbolanden gedachte Quidde überdies auf großen März- beziehungsweise Jubiläumsfeiern 1898/99 und 1907 der Revolution von 1848/49 mitsamt der in der Paulskirche verkündeten Grundrechte, mit denen er sich zeitlebens identifizierte und deren Verwirklichung er bereits vor der Weimarer Republik eindringlich forderte.

Dass Quidde Deutschland 1933 verließ, verwundert nicht. Er emigrierte in die Schweiz und verbrachte den Rest seines Lebens in Genf. Was die Stadt Kaiserslautern betrifft, so hätte sie gute Gründe, eine Straße nach diesem unerschrockenen und überzeugungstreuen Vorkämpfer der Demokratie zu benennen und damit sein Andenken besonders zu ehren.

Dr. Erich Schneider


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