Vor 100 Jahren: Das Ziel erreicht? Die Ausrufung der „Pfälzischen Republik“ im November und Dezember 1923

Pfälzischer Separatismus Teil 1

Veröffentlicht am 7. Dezember 2023 Historisches Schlaglicht
Proklamation Pfälzische Republik, Speyer 12.11.1923 (Dokumente aus dem Befreiungskampf der Pfalz, S. 47)

Beginnend am 5. November 1923 in Kaiserslautern und folgend in den Städten Neustadt, Landau, Kirchheimbolanden, Bergzabern, Germersheim, sowie in Herxheim, Hochspeyer und in vielen anderen Landgemeinden hat die Regierung der autonomen Pfalz die Pfälzische Republik im Verbande der Rheinischen Republik ausgerufen. Nachdem diese Regierung seit dem 11. November 1923 in dem Regierungsgebäude zu Speyer ihren Sitz hat, ist die pfälzische Republik von nun an für die ganze Pfalz proklamiert.*

— Proklamation der Pfälzischen Republik durch die Regierung der Autonomen Pfalz

Diese Ausrufung vom 12. November 1923, die eine langfristige staatliche Abspaltung der bayerischen Pfalz vom Deutschen Reich zementieren soll, markiert in den Augen seiner Anhänger sicherlich den bisherigen politischen Höhepunkt des pfälzischen Separatismus. Ist doch durch die tags zuvor erfolgte Besetzung der Kreisregierung und die Unterstützung des französischen Militärs die Realisierung des ausgegebenen Ziels näher als jemals zuvor in den letzten Jahren! Für die Region insgesamt bedeutet die in den kommenden Wochen einsetzende Entwicklung in breiterer Perspektive dagegen eine Bündelung gleich mehrerer Krisen und Konfliktlagen der frühen Weimarer Republik: der nationalistisch aufgeladenen Problematik der pfälzischen Besatzung und der mit ihr verbundenen Rheinlandstrategie Frankreichs, der innenpolitischen Unsicherheit, insbesondere was das Verhältnis Pfalz-Bayern betrifft und nicht zuletzt der durch die fatale Entwicklung 1923 angestoßenen tiefen Wirtschaftskrise. Zwar lässt sich – selbst bei im Nachhinein gebotener kritischer Betrachtung des separatistischen Zulaufs – angesichts der letztlich klaren Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Pfalz nicht von einer ausgewachsenen gesellschaftlichen Polarisierung sprechen. Jedoch stellen die Ereignisse jener Tage für viele Menschen zumindest eine weitere Herausforderung ihrer vermeintlich selbstverständlichen nationalen wie regionalen Identität dar. Auch der vorurteilsgeprägte Gegensatz zwischen Bevölkerung und französischer Besatzungsmacht verschärft sich noch einmal.

Frühere Separatismus-Aktivitäten und die Situation 1923

General Gérard nach dem Einzug in LU 1918 (Dokumente aus dem Befreiungskampf der Pfalz, S. 21)

Die Republikausrufung hat allerdings eine Vorgeschichte, die bis zum Beginn der französischen Besatzung der Pfalz um den Jahreswechsel 1918/19 zurückreicht. Nach vier Jahren eines traumatischen deutschen Invasionskriegs auf eigenem Boden ist Frankreich bei den schließlich in den Versailler Vertrag einmündenden Friedensverhandlungen von allen Entente-Mächten am unerbittlichsten gegenüber dem im Ersten Weltkrieg besiegten Deutschland aufgetreten. Der Vertrag sieht eine Besetzung des linken Rheinufers auf 15 Jahre und weitreichende Kontrollrechte der in Koblenz eingesetzten Interalliierten Rheinlandkommission vor, bei prinzipiellem Verbleib im deutschen Staatsverband. Die nicht durchgesetzten sicherheitspolitischen Vorstellungen im Pariser Außenministerium am Quai d'Orsay gehen jedoch um einiges weiter: Zur dauerhaften strategischen Schwächung Deutschlands beabsichtigt man, die staatliche Zugehörigkeit des unter eigener militärischer Kontrolle stehenden mittleren und südlichen Rheinlands vom übrigen Reichsverband zumindest stark zu lockern oder bestenfalls einen eigenen Rheinstaat, inklusive der Pfalz, zu schaffen. Welche Variante sich dabei als machbar erweisen wird, bleibt pragmatisch abzuwarten – den grundsätzlichen Trennungskurs verfolgen aber sowohl der Vorsitzende der Rheinlandkommission, Paul Tirard, als auch der Militärgouverneur der Pfalz, General Gérard, und sein Kreisdelegierter Oberst de Metz, später selbst General. Neben der Eintreibung der Kriegsreparationen und der zollrechtlichen Abriegelung des linken Rheinufers gegenüber Restdeutschland versucht Paris aber auch, mit soft power seine Ziele zu erreichen – in Form politischer Kampagnen, welche den Deutschen die Vorzüge französischer Kultur und Demokratie näherbringen sollen.

Bleibt der Erfolg solcher Maßnahmen in einem von gegenseitigem Nationalismus vergifteten Klima indes äußerst überschaubar, führt 1919 nicht zuletzt die Furcht vor einer kommunistischen Revolution im Reich zu ersten Ansätzen einer pfälzischen Autonomiebewegung. Namentlich der Berliner Spartakusaufstand und die im April ausgerufene Münchner Räterepublik sorgen in Teilen des liberalen Bürgertums auch für wirtschaftliche Verlustängste. So sammelt sich in Landau um den Lebensmittelchemiker Eberhard Haaß der sogenannte „Bund Freie Pfalz“, der für eine unabhängige Pfälzer Republik im Rahmen eines neutralen Rheinstaats eintritt. Kurz darauf setzt General Gérard Regierungspräsident von Winterstein bezüglich der sofortigen Anerkennung einer pfälzischen Abspaltung aus aktuellen wirtschaftlichen und politischen Notwendigkeiten massiv unter Druck. Dem verweigert sich von Winterstein und schafft es im Mai in Speyer außerdem, die versammelte Politelite der Pfalz (u.a. Landtagsabgeordnete und Landräte) für „die unlösliche Zugehörigkeit der Pfalz zu Deutschland“* votieren zu lassen. Infolgedessen lässt ihn Gérard kurzerhand ins rechtsrheinische Baden ausweisen, um den Separatisten so Raum für weitergehende Maßnahmen zu geben. Mit Hilfe der bayerischen Staatsregierung leitet Winterstein von nun an die in Mannheim inoffiziell aufgebaute und dem antiseparatistischen Abwehrkampf verschriebene „Zentralstelle für pfälzische Angelegenheiten“. Deren Koordinator ist der rechte Propagandist August Ritter von Eberlein, der in der Pfalz zudem über ein eigenes Spionagenetz verfügt. Dort wiederum versucht die Freie Pfalz-Bewegung am 1. Juni 1919 in Speyer die Macht zu übernehmen, wobei jener einstündige „Haaß-Putsch“ seinen späteren Namen nicht ansatzweise verdient: Haaß und seine Delegation, die die ganze Aktion letztlich nur durch französischen Militärschutz ohne ernstere Blessuren überstehen, werden bereits vor dem Regierungsgebäude von einer wütenden Menge Gegendemonstranten aus der Arbeiterschaft empfangen. Sowohl der Regierungsdirektor als auch die Vertreter von Parteien und Gewerkschaften verweigern anschließend nachdrücklich die Forderung zur Unterstützung einer unabhängigen Pfälzer Republik.

Nach dem spektakulären Scheitern des ‚Putsches‘, der klar demonstriert hat, dass eine Bevölkerungsmehrheit separatistische Ideen ablehnt, kommt es in den folgenden vier Jahren zumindest zu keiner Aktion mehr, die direkte Abspaltungspläne beinhaltet. Dies wird sich Ende 1923 gründlich ändern: Bereits Anfang des Jahres haben Frankreich und Belgien wegen ausstehender deutscher Reparationszahlungen das Ruhrgebiet besetzt. Daraufhin ruft die Reichsregierung im sogenannten Ruhrkampf zum passiven Widerstand, in Form des Generalstreiks tausender Arbeiter und nicht zuletzt Eisenbahner auf. Frankreich regiert auf diese Strategie im Ruhrgebiet wie auch in der Pfalz mit Ausweisungen – bis November allein bei den Staatsbediensteten und ihren Familien über 20.000 Personen –, Strafverfolgung (ca. 300 Fälle) und der Verschärfung der rheinischen Zollgrenze. Da der deutsche Staat sich verpflichtet hat, die streikbedingt massenhaft ausfallenden Gehälter der Arbeiterschaft zu übernehmen und dies notgedrungen mit dem Anwerfen der Notenpresse zu realisieren versucht, kommt es zu einer Hyperinflation und schweren Wirtschaftskrise. Dieser katastrophale Kurs lässt sich nicht ewig durchhalten, schließlich sieht sich das Kabinett Stresemann im September gezwungen, den passiven Widerstand zu beenden. Aus Berliner Kabinettskreisen sind währenddessen Meinungen an die Öffentlichkeit gedrungen, es sei in derartigen Notzeiten aus Haushaltsgründen besser, das Rheinland faktisch der Besatzung zu überlassen. Gleichzeitig wandelt sich „Altbayern“ unter dem neuen Generalstaatskommissar Gustav Ritter von Kahr in eine rechtsextreme Diktatur mit scharfem Konfrontationskurs zur Reichsregierung. Die desolate politische Lage lässt die pfälzische SPD zu einer verzweifelten Maßnahme greifen: Unter ihrem Vorsitzenden Johannes Hoffmann plädiert sie Ende Oktober auch gegenüber General de Metz für einen autonomen pfälzischen Staat, allerdings innerhalb des Reichsverbands. Metz, der hier mit voller Rückendeckung Tirards politische Morgenluft wittert, weist allerdings vor dem Einbringen der Resolution in den Kreistag die Streichung des für die SPD so entscheidenden Reichspassus an. In Konsequenz lehnt das Gremium den Antrag als Landesverrat ab und die gedemütigten Sozialdemokraten geben ihr Vorhaben schließlich auf.

Putsch, Widerstände und Machtübernahme bis Dezember 1923

Kabinett Heinz (Foto Egem, Dokumente aus dem Befreiungskampf der Pfalz, S. 85)

Mit dem Scheitern der „Aktion Hoffmann“, deren wesentliches Ziel auch darin bestand, das Ausgreifen des rheinischen Separatismus auf die Pfalz zu verhindern, hat der Konflikt um den Pfalz-Status nun endgültig die politische Diskursebene verlassen. Im nördlichen Rheinland marschiert eine von dem Wiesbadener Juristen Hans Adam Dorten unter den Augen der Besatzungsmacht aufgestellte Miliz – so ist bereits am 23. Oktober in Koblenz die Rheinische Republik ausgerufen worden. Dorten hat sich im Vorfeld auch in die Pfalz begeben, um dort als Netzwerker Impulse für den Aufbau einer lokalen separatistischen Truppe zu geben. Diese rekrutiert sich hauptsächlich in den wenigen Wochen des Oktobers und Novembers. Unter der Führung des Landwirts Franz Josef Heinz agiert man allerdings zunehmend unabhängiger von den nördlichen Bundesgenossen und hat es mittlerweile immerhin auf 25 Ortsgruppen mit ca. 5.000 Mitgliedern gebracht – allein in der Hochburg Kaiserslautern stehen 443 Namen auf der entsprechenden Liste. Ändern solche Zahlen grundsätzlich nichts an der klaren sozialen Minderheitenposition der Separatisten innerhalb der Region, entkräften sie in der Rückschau doch den von ihren Gegnern sorgsam kultivierten Mythos, bei den Separatisten habe es sich in der Masse um „landfremdes Gesindel“ und eben keine Pfälzer gehandelt! Dies trifft am allerwenigsten auf Franz Josef Heinz zu: Dieser war Präsident des Freien Bauernverbandes, Abgeordneter der DVP (Deutschen Volkspartei) im Speyerer Kreistag. Er inszenierte sich als überlebensgroße Persönlichkeit und gab er sich – angelehnt an sein nordpfälzisches Heimatdorf – bei Besuchen im fernen Berlin auch schon einmal als „Baron von Orbis“ aus. Aus der DVP tritt Heinz letztlich im Herbst 1923 aus, da diese ihm eine zu nationale, antiseparatistische Politik verfolgt.

An die Aktionen am Mittelrhein anknüpfend, beginnt er am 5. November den Vormarsch seiner bewaffneten Trupps von Norden aus in Kirchheimbolanden und Kaiserslautern, teils noch von Dortens Rheinlandschutztruppe verstärkt. Sein „Pfälzisches Korps“ wird dreigeteilt: eine Gruppe für den Raum Ludwigshafen, Speyer und Neustadt, eine für den Raum Landau und eine für Kaiserslautern und Pirmasens. Die Beschlagnahmung von notwendigen Gegenständen bei ihrem Vorrücken, darunter allen voran Fahrzeuge, trägt der „Autonomen Pfalz“ und ihrer Miliz rasch den Spottnamen „Auto-nehmende Pfalz“ ein. Primäres Ziel der Separatisten ist die Einnahme der Bezirksämter, Rathäuser oder Gerichtsgebäude, um von dort aus die Verwaltung unter ihre Kontrolle zu bringen. Bei ihrem Vorrücken leistet die französische Besatzungsmacht den Trupps jede erdenkliche Hilfestellung: Sie transportiert sie in ihren Regie-Zügen, bewaffnet und verpflegt sie und sabotiert außerdem die Abwehrmaßnahmen, zu denen sich eine gewarnte Bevölkerung anschickt. Bürgerwehren werden aufgelöst und einzelne Akteure verhaftet, Polizeikräfte unter eigenen Befehl gestellt und dann abgezogen, der Abbau von errichteten Barrikaden angeordnet oder französische Einheiten direkt in die Schusslinie potentieller Verteidiger platziert, die daraufhin keine Eskalation riskieren wollen.

Dessen ungeachtet leisten viele Pfälzer durchaus gewaltsam Widerstand – welchen beispielsweise in Kirchheimbolanden Separatisten und französisches Militär gemeinsam brechen müssen. Auch in Kaiserslautern und Landau gibt es Übergriffen von Bürgern auf die einrückende Miliz. Nachdem in Lambrecht eine Bürgerwehr das Passieren der Separatistentrupps Richtung Neustadt verhindern wollte, sterben bei deren Vergeltungsaktion zwei Tage später drei Lambrechter und sechs Separatisten. Zwei Separatisten sterben am 10. November bei der sogenannten „Schlacht von Hanhofen“ in Neustadt, ihr LKW wird von Bürgern attackiert! Schlussendlich nehmen am Abend des 10. November die vorrückenden Verbände auch das Gebäude der Kreisregierung in Speyer ein – allerdings nicht, ohne sich vorher einen stundenlangen Schusswechsel mit der Polizei geliefert zu haben, bei dem zwei Separatisten getötet werden. Zum Schutz der neuen Regierung der am 12. November ausgerufenen Pfälzischen Republik stationiert man dementsprechend volle vier Milizkompanien im Regierungsgebäude. In den folgenden Tage werden dann Frankenthal, Ludwigshafen, aber auch Pirmasens und Zweibrücken eingenommen.

Der „Regierung der Autonomen Pfalz“, welche sich nun konstituiert, gehören neben Heinz als Präsident u.a. noch an: Adolf Bley als Vizepräsident und Finanzminister, ein in Schlesien geborener Papierfabrikant aus Kirchheimbolanden mit sozialistisch-pazifistischer Prägung, sowie der ehemalige Sekretär der Freien Bauernschaft und Journalist Josef Schmitz Epper – der Heinz möglicherweise erst zum Eintritt in die Rheinische Bewegung inspiriert hat. Georg May, ein Weinhändler aus Schifferstadt, fungiert als Kommandant der Milizen und Speyerer Bezirkskommissar. Otto Meyer, ein aus Speyer stammender Ex-Radrennfahrer ist Sozialminister und der von Berlin in den Ludwigshafener Hemshof gezogene sozialistische Aktivist Georg Kunz schließlich Arbeitsminister. Das Kernproblem dieser Regierung, die sich nur durch die schützende Hand von General de Metz an der Macht hält, ist allerdings von Tag eins an ihre fehlende Legitimität in den Reihen der ihr unterstellten Beamten. Verweigern manche von ihnen offen den Dienst, was dann zumeist ihre Ausweisung bedeutet, arrangieren sich andere tagsüber auf verschiedenen Wegen mit den neuen Machthabern, während sie abends in ihrer Privatwohnung beispielsweise weiter bayerische Rentenbescheide bearbeiten. In den Augen der überwiegend national gesinnten Bevölkerungsmehrheit gelten die Separatisten ohnehin als Landesverräter und, angesichts ihres rabiaten Vorgehens, oft schlicht als Verbrecher.

Angesichts der widrigen Ausgangslage hilft es daher wenig, dass die Mitglieder des Kabinetts Heinz in ihren Erklärungen den Pfälzerinnen und Pfälzern einen Aufschwung durch Abkehr von der inkompetenten Berliner und Münchner Wirtschaftspolitik versprechen, dazu noch sozialen Ausgleich und eine friedliche Zukunft. Arbeit und Brot, so etwa Schmitz Epper in einer Zweibrücker Rede vom 3. Dezember, sollen sichergestellt werden, um „hier am Rhein eine Keimzelle des wahren und allgemeinen Völkerfriedens zu schaffen.“* Adolf Bley wiederum erklärt in Schifferstadt, es dürfe unter keinen Umständen mehr zu einem Krieg zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien kommen: „Nicht mehr solle die herrliche Pfalz Kriegsaufmarschgebiet und Tummelplatz von Kriegsheeren werden, sondern unter dem Zeichen der Ölpalme des Friedens wollen wir in wahrer Friedensarbeit unsere Ehrenpflicht erfüllen zum Segen und Nutzen unserer Nachkommenschaft.“* Derlei positive Gemeinplätze werden allerdings nicht in ein effektives politisches Programm überführt und können im damals negativen Debattenklima kaum Wirkung entfalten. Der neuen Regierung fehlen zudem auch die Mittel für eine koordinierte Wirtschaftspolitik – die in diversen Städten eröffneten Lebensmittelläden mit stark reduzierten Preisen bleiben trotz einigen Erfolgs insgesamt nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Als die immer noch zuständige bayerische Regierung im Dezember dann auch noch für alle aus ihrer Sicht pro-separatistischen Gemeinden die Zahlung der Arbeitslosenfürsorge einstellt, sucht die Gegenregierung Heinz dies durch eine Verordnung zu kompensieren, die sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer 10 Prozent Aufschlag auf ihre Krankenkassenbeiträge vorsieht.

Hinsichtlich der Interalliierten Rheinlandkommission, in der aktuell noch ein französisch-belgisches Bündnis zu ihren Gunsten besteht, versuchen die Separatisten ihre Legitimität mit Loyalitätserklärungen von 500 Bürgermeistern zu untermauern. Diese sind aus den 650 Gemeinden der Pfalz für das neue Regime abgegeben worden – allerdings oft keineswegs freiwillig. Sogar die acht kreisfreien und bevölkerungsreichsten Städte verweigern die Unterzeichnung des Dokuments. An zwei sich standhaft weigernden Ludwigshafener Bürgermeistern statuieren die Separatisten dementsprechend ein Exempel und weisen sie aus. Als Reaktion ergeht einer Protestnote des Stadtrats an die Garantiemächte des Versailler Vertrags. Kurz darauf versammeln sich am 17. Dezember 1923 in der Stadt ca. 20.000 Menschen, unter ihnen Stadträte, Arbeitgeber wie auch Gewerkschaftsvertreter, zu einer Gegendemonstration.

Es dürften besonders solche Anlässe sein, welche Präsident Heinz dazu bringen, in einer Bekanntmachung seinen Bürgern drohend zu versichern: „Die Regierung der Autonomen Pfalz ist fest gefügt. Die Vertreter der Städte und Gemeinden haben sich zu loyaler Zusammenarbeit mit der Regierung bereit erklärt. Nur ein Tor kann noch der Meinung sein, daß die Regierung der Autonomen Pfalz eine vorübergehende Erscheinung sei und in sich zusammenbrechen werde. Geradezu wahnsinnig aber wäre es, die Regierung durch einen gewaltsamen Putsch beseitigen zu wollen.“* Der entschlossene Wortlaut zeigt allerdings tatsächlich eher Verzweiflung als Souveränität. Das ausgegebene Ziel, die neue Republik zu festigen, liegt Ende 1923 somit auch in weiter Ferne.

Christian Decker

 


Literatur und Quellen:

  • Fenske, Hans: Konstitutionelle Monarchie und frühe Republik. Die Pfalz 1816 bis 1933, in: Rothenberger, Karl-Heinz/Scherer, Karl u.a. (Hrsg.): Pfälzische Geschichte. Bd. 2 (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 18.2), 3., erw. u. erg. Aufl., Kaiserslautern 2011, S. 9-56, hier S. 42-48.
  • Gembries, Helmut: Autonome Pfalz, 1923/24 [URL: Autonome Pfalz, 1923/24 – Historisches Lexikon Bayerns (historisches-lexikon-bayerns.de), zuletzt abgerufen am 30. 11. 2023]
  • Gräber, Gerhard/Spindler, Matthias: Die Pfalzbefreier. Volkes Zorn und Staatsgewalt im bewaffneten Kampf gegen den pfälzischen Separatismus 1923/24, Ludwigshafen am Rhein 2005, hier S. 14-32, 174 (Anm. 47 u. 48)
  • Gräber, Gerhard/Spindler, Matthias: Revolverrepublik am Rhein. Die Pfalz und ihre Separatisten. Bd. 1: November 1918 – November 1923, Landau/Pfalz 1992, hier S. 39-50, 572-587, 593-537.
  • Gräber, Gerhard: Pfälzischer Separatismus [URL: Pfälzischer Separatismus – Historisches Lexikon Bayerns (historisches-lexikon-bayerns.de), zuletzt abgerufen am 30. 11. 2023]
  • Kermann, Joachim/Krüger, Hans-Jürgen: 1923/24. Separatismus im rheinisch-pfälzischen Raum. Eine Ausstellung der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz auf dem Hambacher Schloß 1989 (Dokumente zur Geschichte. Ausstellungskataloge der Archivverwaltung Rheinland-Pfalz), Koblenz 1989, hier S. 7-10, 113/114, 122/123.
  • Niemals! Dokumente aus dem Befreiungskampf der Pfalz, hrsg. von Verlag u. Redaktion der „Pfälzischen Rundschau“, Speyer 1930, hier S. 9, 47.

 


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